Gerade eben ist „Dream Machine“, das fünfte Album von Tokio Hotel, erschienen. Auf dem Cover sieht man die Band vor einem Sternenhimmel inklusive UFO, Bill ist mit einem Kopfhörer- samt Mikrofonset ausgestattet, wie man es beim Fliegen im Cockpit benutzt. Die Magdeburger sind, seit dem vorletzten Album „Humanoid“, Richtung Zukunft unterwegs. Dem organischen Gitarrensound der „Schrei“- und „Zimmer 483“-Ära haben sie schon länger den Rücken gekehrt und wurden Stück für Stück elektronischer.
Tanzbare Beats und queeres Begehren
„Dream Machine“ ist ein Album, das Tom Kaulitz federführend produziert hat – und das hat er ziemlich gut gemacht: Es ist ein homogenes Werk geworden. Zu „Boy Don`t Cry“ oder „What If“ würde ich gern mal im Club tanzen, wenn jemensch den Mut hätte, etwas öffentlich von Tokio Hotel zu spielen. Man hört einfach, dass Bill und Tom in den letzten Jahren des öfteren auf Parties unterwegs waren. Sie können gute Dancemusik erkennen und selbst einspielen. Das Video zu „What If“ wurde im Berliner Botanischen Garten gedreht:
Der Titeltrack „Dream Machine“ oder auch „As Young As We Are“ sind ruhigere Nummern.
„Something New“ hat einen tollen Spannungsbogen, auch wenn ich das Video nicht ganz schlüssig finde… „Cotton Candy Sky“ ist ein sleazy Track in dem Bill singt:
Oh, young like you, boy
Don’t you say goodbye, just take my hand now
And if we stay, taking the crown
We let no feeling die until the sun is out
Seit dem „Love Who Loves You Back“-Video gibt es eine neue Offenheit, auch wenn Bill bisher nicht explizit über seine sexuellen Präferenzen geredet hat. Muss auch nicht sein, erschliesst sich dem hörenden Menschen auch so – und geht uns natürlich alle NICHTS an. Die Texte auf „Dream Machine“ drehen sich zu großen Teilen um Zwischenmenschliches wie Liebe und Begehren, das Futuristische spiegelt sich primär im Artwork wieder.
Wichtiger Fakt: Tokio Hotel-Fans nennen sich selbst Aliens und werden auch von der Band liebevoll so genannt. Auf ihrem dritten Album „Humanoid“ ist ein Song namens „Alien“ zu finden, Bills schwarzes Bühnenoutfit auf der „Humanoid“-Tour erinnert an den Look aus der legendären „Alien“-Filmreihe mit Sigourney Weaver. Der Blick gen Zukunft und die Andersartigkeit beschäftigt die Band schon länger.
SpaceBill und Chazza
Immer wenn die Zeiten auf der Erde besonders beängstigend werden, wenden sich Künstlerinnen und Künstler gen All. Bill ist großer Bowie-Fan und das verbindet ihn mit Charlotte Hatherley, Ex-Ash-Gitarristin und Bowie-Silence Disco-DJane. Beide lieben den „Major Tom“-Interpreten.
Die Britin ist gerade sehr beschäftigt mit der Aufnahme ihres kommenden futuristischen Albums „True Love“ samt Film. Für das groß angelegte Projekt kann man noch pledgen, Chazzas Gitarre ist leider schon weg. Ich bin also ganz sicher nicht der einzige und letzte Fan, auch wenn es um Hatherley ruhiger geworden ist.
Vermutlich braucht sie die Gitarre sobald nicht wieder, da auch ihr neuer Sound elektronisch statt organisch klingt (und ich stelle die These in den Raum, dass die Gitarristin mehr als eine Gitarre besitzt). Die Bastardo-Zeiten scheinen vorerst vorbei zu sein.
Menschenleer bis einsam wird die Zukunft
Im elektronischen Sound und der visuellen Idee von der Welt von Morgen ähneln sich die Bilder von Charlotte Hatherley und Tokio Hotel: Einsam und menschenleer wirken die Szenarien in den Videos von „Something New“ und von „A Sign“.
Ein Unterschied: Bill liegt in der Wüste, Charlotte geht am Meer entlang.
Diese Bilder stehen konträr zu allen demographischen Prognosen, in der Zukunft müsste es nur so vor Menschen wimmeln. Vermutlich machen die Künstler*innen einen Zeitsprung und ihre Werke sind post-apokalyptisch angesiedelt – oder sie haben den Planeten Erde verlassen.
Alien Future Pop – Das neue große Ding?
Sci-Fi-Literatur war nie meine Liebste, die musikalischen Entwicklungen von den Kaulitz-Zwillingen samt Band und Chazza finde ich sehr spannend, Alien Future Pop könnte eines meiner neuen Lieblingsgenres werden.