Garbage sind die coolste Band der Welt – und das seit über 20 Jahren. Am Dienstagabend spielten Shirley, Butch, Duke und Steve ein unglaublich gutes und ausverkauftes Konzert in Berlin. Anlässlich des 20. Geburtstages von „Version 2.0“ gab es das gesamte Album zu hören – inklusive vieler B-Seiten. Richtig, es war ein Fan-Fest der besten Sorte.
Dream Wife – Courtney Love trifft die Spice Girls
Pünktlich um 20 Uhr kamen Sängerin Rakel Mjöll, Gitarristin Alice Go und Bassistin Bella Podpadec sowie ihr Live-Drummer auf die Bühne. Dream Wife sind Anfang diesen Jahres durchgestartet. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum wurde in allen Indie-Medien und in der feministischen Bubble frenetisch besprochen. Gefunden haben sich die drei Musikerinnen an der Kunsthochschule in Brighton.
Die Band trat in die Berliner Ärsche, da wurden Riffs runtergerissen, Rakel reckte die Faust gen Himmel und postulierte: „I am not my body. I AM SOMEBODY.“ Sie ließen es sich nicht nehmen „Wannabe“ in Teilen zu performen, was natürlich immer für gute Stimmung sorgt. Das undankbare Los des Vorband-Daseins haben Dream Wife gemeistert und ich liebäugle damit, mir ihr Konzert in November anzusehen.
St. Shirley The Holy Manson im Nebel
„I Think I’m Paranoid“ war ein großer Hit der Band, die B-Seite „Afterglow“ ist nahezu unbekannt. Mit eben dieser düsteren Nummer haben Butch, Steve, Duke und Shirley ihr Konzert in Berlin eröffnet. Die Bühne war komplett in rotes Licht und Nebel getaucht.
Mit „Deadwood“ war auch die zweite Nummer des Abends eine B-Seite. Wer kann, der kann, tamam, tamam. Shirleys Präsenz war vom ersten Augenblick spürbar. Es ist sofort mehr (An-) Spannung in der Luft, wenn die Schottin einen Raum oder die Bühne betritt. Shirley strahlt seit jeher Entschlossenheit, Kampfbereitschaft und Stärke aus. Der rote Strich, der sich quer über ihre Augen zog, erinnerte an Kriegsbemalung.
„Version 2.0“ – Über Migräne und die malade Menschheit
Als mein Lieblingsalbum von Garbage erschien war ich noch keine 16 Jahre alt. Die Platte passte perfekt in meine Welt: Eine furchtlose Rothaarige singt über das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Sie räumt ihrer Wut einen Platz ein. Auf „Version 2.0“ geht es um Kopf- und Weltschmerzen sowie das Gefühl, nicht in die Gesellschaft und ihre Norm zu passen. Tracks wie „The Trick Is To Keep Breathing“, „Hammering In My Head“, „Dumb“ und ganz besonders „I Think I´m Paranoid“ sind großartige Electro-Indie-Hybriden. Bis heute kann ich jeden Song und die meisten der B-Seiten mitsingen. Nachdem ich bei der „20 Years Queer“-Tour die Rarität „Girl Don`t Come“ endlich live hörte, freute ich mich in Berlin am meisten über „13x Forever“.
Über 20 Jahre Live-Erfahrungen machen sich bemerkbar
Die viele Live-Erfahrung macht sich an diesem Abend im Huxley`s bemerkbar: Shirley traf jeden Ton und die drei Herren plus Live-Bassist woben den Soundteppich, auf dem Shirley wie ein Raubtier im Käfig auf und ab schritt. Zwischen den Songs gab es meistens Soundschnipsel aus alten Filmen, die thematisch zum nächsten Sound überleiteten. Garbage habe ich in zahlreichen Städten und auf einschlägigen Festivals in den vergangenen 20 Jahren gesehen. Zuletzt waren Olga und ich 2015 bei dem Garbage-Konzert in Paris, wo der Sound nicht besonders gut ausgesteuert war. In Berlin stimmte die Aussteuerung der einzelnen Instrumente.
Eine Messe nur für alte Fans?
Definitiv nicht. Drummer Butch und der Rest der Band wissen, wie man die Songreihenfolge und das Licht komponieren muss, damit ein stimmiges Ganzes für alle entsteht. Für echte Fans gab es B-Seiten und Coversongs, für nicht ganz so vertraute Hörer*innen wurde auch der James Bond-Song „The World Is Not Enough“ performt. Shirley Manson ist 52 Jahre alt, immer noch glühende Feministin und Chefin im Ring bzw. auf der Bühne. Und Role Model, nicht nur für Rothaarige. Der Auftritt von Garbage in Berlin bewies wieder einmal, dass es immer eine hervorragende Idee ist, sich Shirley, Butch, Steve und Duke live anzusehen. Nicht zuletzt auch wegen des extrem hübsch designten Tour-Merchandises (Garbage-Goldkettchen!) und der großartigen Vorband Dream Wife.
Meine Top 3 Momente bei Garbage im Huxley’s neue Welt
1. Shirley ist sprachlos. Zwischen zwei Songs sagte die Frontfrau, dass sie jetzt auch nicht wisse, was sie jetzt sagen soll. Ich war genauso erstaunt, wie Shirley selbst.
2. Eigentlich spielen Garbage keine Party-B-Seiten. Auf dieser Tour gibt es skurrile Songs wie „Get Bizzy With The Fizzy“ zu hören.
3. Der dramatische Aufbau: Wer beginnt schon mit zwei(!) B-Seiten und endet mit einem Überhit, in diesem Falle „Cherry Lips“? Richtig, die wohl coolste Band der Welt.