Rolling Stones live in Berlin – Wie der Papa, so die Tochter

Manche Menschen bekommen Geld oder eine markante Nase vererbt. Auf mich übertrug sich die Musikliebe von meinem Papa, wie ich schon auf der About-Seite ausführte.
Bereits als Baby wurde ich zu den Stones gewickelt, habe schon vorher die vier Herren mit Papa sowohl live auf der Bühne als auch auf großer Kinoleinwand gesehen. Als Anfang des Jahres klar war, dass die Rock`n`Roll-Opas wieder  auf Tour kommen, zögerte ich nicht lange…

Erst Stones-Kuchen, dann ab zum Konzert

Glutenfreier veganer Stones-Kuchen

Im Mai feierte mein Papa einen Schnapszahl-Geburtstag und dafür bug ich einen glutenfreien und veganen Kuchen. Die Stones-Karten sollten schließlich stilecht übergeben werden. Papa freute sich sehr und wusste sofort, welche Stones-Shirts aus den letzten Dekaden wir anziehen sollten. Er ist eben ein echter Fan – und jede(r), die/der mich auch nur einwenig kennt, weiss, wie viele Tour-Shirts ich habe und liebe.
Passend zu meiner Überraschung schloss sich mein Bruder an und schenkte meinem Papa, der auch großer Eisenbahn- und Technik-Fan ist, die Hin- und Rückfahrt mit der Bahn, natürlich in der ersten Klasse.

Auf zum Olympiastadion

Rund sechs Wochen später war der Besuch aus Bielefeld endlich in Berlin und der Stones-Tag gekommen. Papa entschied sich für sein „Bridges to Babylon“-Shirt und mir lieh er eins mit dunkel-violetter Stachelzunge, ein recht rares Shirt von 1994, aus der Vodoo Lounge-Ära. „Passend für Feministinnen“, wie er noch sagte. Papa kennt mich eben sehr gut. Er zog sich noch eine rote Regenjacke über, da an diesem Freitag das Wetter recht wechselhaft war. Die U-Bahn zum Olympiastadion war ab Zoo richtig voll, eine bunte Mischung aus bierseeligen Briten und Eigenheim-Rentnern, die eines verband: Sie alle sind Stones-Fans.
Vor dem Stadion teilten wir uns in verschiedene Schlangen auf, der Einlass dauerte recht recht lang. Bisher durfte man Taschen bis zu der Größe von DINA4 mit reinnehmen, an diesem Tag nur bis DINA5. Kein Problem, Papa und ich waren mit schmalen Gepäck unterwegs.
Während des Wartens fiel mir auf, wieviele Shirts, Taschen, Schuhe und sonstwas es mit der Stones-Zunge bedruckt gab. Keith und Co. müssen Millionen allein mit dem Verkauf der Merchandise-Lizenzen verdienen.

Cheers – Auf die Stones

800€, 400€, 110€ pro Ticket

Ich lud Papa erstmal auf eine Stones-Cola (7€ inkl. Stones-Becher, schon okay) ein und wir sicherten uns einen guten Stehplatz im dritten Drittel. Das erste Drittel des Innenraums war für die 800€ pro Ticket-Fans, das zweite Drittel für die 400€ pro Ticket-Fans und das letzte Drittel für die 110€ pro Ticket-Fans. Ja, die Stones sind nicht die Wohlfahrt und die vielen Frauen, Kinder, Enkel und Schlösser müssen auch unterhalten werden. Das Stadion ist wirklich riesig, rund 67.0000 Menschen haben dort Platz.

Der Penis neben uns – eine kleine Fan-Kunde

Neben uns standen zwei Branderburger Herren, die sich den sexuellen Erfolg von Mick wünschen, aber kleine Würstchen sind. Der eine, nennen wir ihn Penis, hatte ein Multifunktionsshirt von Adidas an, die Mähne von Mick schlecht kopiert und brüstete sich lauthals damit, dass er seine Frau verlassen habe und „jetzt ganz neu eine junge Pussy am Start“ habe. Der andere fand die Story super und war genauso primitiv: Bei der großartigen Vorband „The Kooks“ gröhlte er „Haut ab!“. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich diese Typen auf einer Pegida- oder AfD-Demo vorzustellen. Natürlich wollten sie uns wegdrängeln, aber ich habe sehr spitze Ellenbogen. Die anderen Fans um uns herum waren nett: Ein weiteres Vater-Tochter-Gespann, drei Party-Engländerinnen und eine Mallorca-Auswanderin samt britischen Ehemann.

Zurück zur Musik: Ob auf dem Weg nach Holland oder auf ungefähr allen Queers and Guitar-Parties – „The Kooks“ gehörten dazu. Ich freute mich sehr, dass sie für „die beste Rock`n`Roll-Band der Welt,“ wie Sänger Luke sagte, eröffneten. The Kooks stehen für mich für Leichtigkeit, Unbeschwertheit und den Sehnsuchtsort Brighton.

Rot ist angesagt – Altherren-Memo nicht bekommen

Keith Richards und Ronnie Wood beim Konzert in Berlin 2018
Oben: Keith, unten: Ronnie.

Mit „Street Fighting Man“ eröffneten die Stones ihr Konzert. Endlich waren Mick, Keith, Ronnie und Charlie da. Mick trug eine rote Jacke, genauso wie mein Papa. Auch die anderen Stones hatten roten Jacken oder Unterjacken an. Offensichtlich gab es ein Altherren-Memo bezüglich der Farben, das ich nicht bekam, haha. Der Sound war glasklar und die Profis haben direkt den Hit „It`s Only Rock`n`Roll (But I`like it)“ drangehängt.

Best of-Karaoke-Konzert oder auch: Hits, Hits, Hits

Besonders freute sich Papa über die Rhythm & Blues-Nummer „Just Your Fool“, bei der man auf den LED-Leinwänden schwarz-weiß Filmausschnitte von schwarzen Arbeiter*innen sah. Mundharmonika spielt Mick richtig gut, was wohl nicht immer so war, wie ein mir bekannter Stones-Fan zu berichten wusste. Mir hat das Bob Dylan-Cover „Like A Rolling Stone“ besonders gut gefallen, da ich das orangefarbene Licht und die Energie, die von dem Lied ausgeht, live sehr mochte. Das Quartett, das von vielen Live-Musikern und Background-Sängerinnen begleitet wurde, ging keine Risiken bei der Songauswahl ein. Wir hörten und sangen z.B. zu „You Can`t Always Get What You Want“, „Paint It Black“, „Sympathy For The Devil“ oder auch „Start Me Up“. Überraschend war, dass sich das Berliner Publikum bei einer vorherigen Abstimmung für „She`s A Rainbow“ als Wunschsong entschieden hatte.

#NoFilter: Keith beinahe ohne Lidstrich

Mick gab den Kasper mit Gummihüfte: Er landete angeblich am BER und sagte: „Da war es sehr leer“. Außerdem aß er eine „Bulette“ und trank eine „Berliner Weisse“. Jede Anekdote und die Bekundung, dass er sich sehr freue, wieder in Berlin zu sein, wurden bejubelt. So fit, wie der 74-Jährige ist, muss er ein sehr gutes Fitness- und Ernährungskonzept haben. Keith, der als lebendes Vorbild für Jack Sparrow diente, trug in Berlin kaum bis keinen Lidstrich und auch sein Stirnband war verhältnismässig schmal. Außerdem rauchte er auf der Bühne nicht, was als echtes Novum gesehen werden kann.

Charlie Watts bei Konzert im Berliner Olympiastation am 23.06.2018. Er sitzt hinter den Drums.
Charlie Watts ist mein Stones-Liebling

#NoFilter bedeutet also weniger Chi Chi wie Make Up und Bühnenelemente. Es gab lediglich einen kleinen Steg, aber keine überdimensionalen Aufblaßfiguren oder Ähnliches. Der Stone meines Herzens ist Drummer Charlie Watts. Er trommelte so vor sich hin und musste immer wieder ein verschmitztes Lächeln unterdrücken, gemäß dem ungeschriebenen Rock Star-Gesetz: „Coolness first“. Als Charlie 100.000 Watt, wie wir Fans ihn nennen, besonders konzentriert war, wirkte er mit seinem vorgebeugten Kopf wie eine engagierte Schildkröte, die mit der Zunge ihr Gebiss fixierte.

Alles richtig gemacht: Papa Stone und Nina Stone

Als Zugabe gab es „Gimme Shelter“ und als wirklich aller allerletzten Song „(I Can`t Get No) Satisfaction“. Für mich hätten die Stones auch gerne noch „Love Is Strong“, „Saint Of Me“ oder „Anybody Seen My Baby“ spielen können. So haben die Stones aktiv ihren Nachlass verwaltet.

Mein Papa schien überwältigt, ob der Tatsache, dass er seine beinahe lebenslangen Helden noch einmal wiedersah. In der letzten Zeit ist viel in unseren Leben passiert und wir haben es trotzdem geschafft, uns The Rolling Stones  wieder live anzusehen. Es war total schön, diesen Abend genau dort zu verbringen – und wieder einmal zu merken, wie vertraut mir die Stones und ihr Werk sind.

Wiedersehen nicht ausgeschlossen: Die Stones kokettierten mit einem „Bis bald“ auf den LED-Wänden.

Nerd Fact: An „Love Is Strong“, dem großartige Song von der „Voodoo Lounge“-Platte, hat KD Lang mitgeschrieben. Im Video zum Song spielt Angelina Jolie mit.

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