„Feminista Baby!“ mit der Grande Dame des Indie-Chansons, Christiane Rösinger, wird gerade am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Das Stück, das in den Kammerspielen gezeigt wird, basiert auf dem SCUM-Manifesto von Valerie Solanas. Solanas schoss Andy Warhol 1968 lebensgefährlich an.
Drei männliche Monroes
Bernd Moss, Markwart Müller-Elmau und Jörg Pose stülpen sich die Monroe direkt in der ersten Szene über. Vor den Augen des Publikums legen die drei ihre Kleidung ab. Sie schlüpfen in das weiße Kleid der Monroe, das ihr über dem Lüftungsschacht nach oben gepustet wurde. Der Bart wird abrasiert, die Lippen rot geschminkt und eine blonde Perücke aufgesetzt. Die drei werden die nächsten rund 90 Minuten solo und im Chor Teile aus dem SCUM-Manifesto (Society for Cutting Up Men) vortragen.
Die Utopie: Eine Welt ohne Männer und ohne Geld
Valerie Solanas verfasste ein radikales Manifest, in dem sie eine Welt ohne Männer und ohne Geld erdacht hat. Ohne Männer gibt es weniger Aggressoren, weniger Kriege („Männer lieben den Tod“) und weniger Krankheiten. Da wird von Vagina- statt Penisneid bei den Männer diagnostiziert. Solanas` Argumentation: Männer sind verkümmerte Frauen, was sich schon am Y-Chromosom ablesen lässt, das eigentlich ein kaputtes X-Chromoson ist. Die Radikalität der Sprache, der Denke und die der Bilder entlockt dem jüngeren, eher queerem Publikum hier und da ein Lachen. Manche Forderungen sind so hart, da ist das Lachen vermutlich ein Ventil.
Christiane Rösinger auf der Wendeltreppe
Britta-Sängerin und „Liebe wird oft überbewertet“-Autorin Christiane Rösinger singt live auf der Bühne. Sie wird von ihrer musikalischen Dauerbegleitung, Andreas Spechtl, am Schlagzeug und an der Gitarre unterstützt. Rösingers Gesangseinlagen lockern die teils wüsten Beschimpfungen gegen alles was männlich ist, auf. Sie ist die einzige Frau auf der Bühne. Zu Hören gibt es u.a. „Was jetzt kommt“, „The Joy Of Ageing“ oder auch den legendären Lassie Singers-Song „Die Pärchenlüge“.
„Famenista“ und die Zerschlagung der Kernfamilie
Als machterhaltende Kernzelle der männerdominierten Welt macht Solanas die Kleinfamilie aus. Gegründet wird sie von „Daddy`s Girl“, einem priviligierten Mittelschichtsmädchen, das nur ein Ziel im Leben hat: Zu gefallen. Regisseur Jürgen Kuttner (ja, er ist der Vater von Sarah Kuttner), kommt als Daddy in Glitzer-Trainingshose und „Famenista“-Shirt auf die Bühne und wird von den Monroes geschnitten. Man(n) liefert sich sogar einen Kampf mit Sitzbällen, die auch ins Publikum geworfen werden.
Gerhard Schröder ad absurdum
Richtig unterhaltsam wird es, als eine Spitzenpolitiker*innen-Runde von 2005 gezeigt wird. Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Angela Merkel, Guido Westerwelle und Edmund Stoiber sitzen in einem Fernsehstudio. Die Monroes synchronisieren Schröder, Fischer und Merkel mit Zitaten aus dem SCUM-Manifesto – und es ist zum Piepen. Über Schröder können wir lachen, wenn auch nicht über die Folgen seiner Politik. Man hätte diesen Teil von „Feminista, Baby!“ auch etwas aktueller gestalten können, in „Grab them by the Pussy“-Zeiten.
Ist „Feminista, Baby!“ sehenswert?
Das Stück in den Kammerspielen vom Deutschen Theater ist sehenswert. Radikale Gedankenexperimente befremden zuerst, bevor sie in einem weiter arbeiten. Natürlich braucht die Welt keine Männer, die einfach mal zwei bis drei Sitzplätze in der Bahn belegen, da sie angeblich so große Eier haben. Natürlich braucht die Welt keine Mansplainer, die allen ungefragt die Welt erklären. Und natürlich kann eine Welt ohne Männer auch nicht das Ziel sein. Darum geht es aber nicht in dem Theaterstück: Es wird ein Finger in verschiedene Wunden gelegt, um Machtstrukturen sichtbar zu machen und um zu unterhalten. Christiane Rösinger live zu erleben ist immer wunderbar und definitiv ein großer Gewinn für die Inszenierung.
Leb` wie du willst – und lass` dich nicht unterdrücken
Ich habe „Feminista, Baby!“ als unterhaltsamen Appell an die Eigenverantwortlichkeit verstanden: Du musst dein Glück nicht in der hetereosexuelle Kleinfamilie finden. Und wenn es nach Christiane Rösinger geht, nicht mal in einer romantischen Zweierbeziehung. Solanas entwirft eine Utopie ohne Zwänge, in der alle Menschen maximale Freiheiten genießen sollen. Als Hippie im Herzen und Simone de Beauvoir-Leserin halte ich es eher mit der französischen Philosophin als mit Valerie Solanas: „Es ist unter anderem notwendig, dass Mann und Frau jenseits ihrer natürlichen Differenzierungen rückhaltlos geschwisterlich zueinander finden“.
Wird das Stück noch mal aufgeführt?
„Feminista, Baby“ wird am 18. April und am 8. Mai aufgeführt. Weitere Informationen zu dem Stück gibt es auf der Seite des Deutschen Theaters.