Polly wants a cracker, oh nein, falscher Song und falscher Kontext. Hier geht es um Polly Jean Harvey und nicht um den Nirvana-Song.
Wer mag wohl dieser Tage noch zu einem PJ Harvey-Konzerte gehen? Richtig, Olga und ich – und mehrere tausend Menschen ebenfalls. Der Auftritt der gebürtigen Britin war Teil des Sommerprogramms der Zitadelle.
Das Wetter war am Montag bestens, nicht zu warm und leicht sonnig. Es wurde alles mit höchster Präzision vorbereitet, PJs Mikrofonständer wurde mit einem Zentimetermaß (!) eingestellt.
Der Sound des Abends war glasklar: Eine neunköpfige Band, inklusive Blechbläsern und zwei Drummern, sowie PJs Gesang waren sehr gut abgemischt.
Mit fremden Federn geschmückt?
Polly Jean Harvey kam als Rabenvogel, gehüllt in schwarzen Federn, auf die Bühne. In der Mythologie überbringen Raben die neue Kunde oder auch die Weisheit. Passt natürlich wunderbar zu PJs letzten zwei Alben „Let England Shake“ aus dem Jahr 2011 und dem im April diesen Jahres erschienenen „The Hope Six Demolition Project“. „The Community of Hope“, so der Titel der ersten Single aus dem aktuellen Werk, zeigt, worum es der 46-Jährigen aktuell geht: Die Missstände in der Welt klar zu benennen.
Hits wie „Down By The Water“, „To Bring You My Love“ oder auch „This Is Love“ drehten sich um ein verliebtes und verletztes Ich. Dieser Tage agiert Polly Jean als kritische Beobachterin der Welt um sie herum. Dafür reiste die Mercury Music Prize-Trägerin unter anderem nach Bangladesch und Washington.
Schmunzeln steht ihr gut
PJ Harveys Bewegungen waren auf der Bühne militärisch und mechanisch abgehakt. Ihr Körper war das gesamte Konzert über stark angespannt. Immer wieder schaute sie gen Himmel, das Saxophon in der einen Hand und den anderen Arm auf gleicher Höhe gestreckt. Beim Wasser trinken drehte Polly Jean sich mit dem Rücken zum Publikum und unterdrückte immer wieder ein Lächeln, dass konnten wir aus der zwei Reihe links gut sehen. Nach circa einer Stunde sagte sie dann doch noch: „Vielen Dank“. Spoiler: Zwei Zugabenblöcke gab die Britin, es schien ihr doch ganz gut in Berlin zu gefallen.
I want you to know
Alanis Morissette, Marilyn Manson, Nirvana und Hole waren die Held*innen meines wütenden Teenie-Ichs. PJ Harvey kam erst mit „This Is Love“ so richtig in mein Leben, „Stories from the City, Stories from the Sea“ ist mein PJ Harvey-Album. Die neuen (Protest-) Songs mag ich auch sehr gern, live bereitete mir „Down by the Water“ eine Gänsehaut. Außerdem verbinde ich PJ immer mit Olga, da sie langjähriger Fan ist und mir 2004 ein Foto von PJ aus der ersten Reihe vom Hurricane Festival schickte. Es war über lange Zeit mein Profilbild zu Olgas Kontakt in meinem Handy – die wirbelnde Sängerin mit zwei Rasseln in der Hand.
Was mir nicht ganz so gut gefallen hat
PJ hatte keine einzige Musikerin mit auf der Bühne, was auch der einzige Kritikpunkt für mich an dem Auftritt war. PJ Harveys musikalischen Arbeiten zeichnen sich durch Zusammenarbeiten mit Männern wie Nick Cave, Josh Homme oder John Parish aus.
Solidarität unter Frauen und ein klares Bekenntnis zum Feminismus hat noch niemenschem geschadet.
Beim diesjährigen Montreux Jazz Festival tritt PJ Harvey direkt vor Patti Smith auf, vielleicht spielen die zwei Heldinnen einen Song gemeinsam. „People have the Power“ wäre in meinen Augen eine gute Wahl für P&P. Danach könnten sie zusammen ein feministisches Folkalbum aufnehmen, hach, dass wäre super. Mein Titelvorschlag: „Pennies and Protests“.